Angeschmiert und abgesoffen: Wenn die Klausuren nahen, feiert Verdrängung eine schamponadige Epidemieparty mit Essigpunsch und Anwesenheitspflicht. Ein Erlebnisbericht.
Der Boden blitzt, die Fenster funkeln. Kein einziger Papierstapel türmt sich auf, die Kleidung liegt gewaschen und gefaltet im wohl geordneten Schrank und dreckige Teller sind rarer als viktorianische Goldmünzen in der Isar. Staub unter dem Bett – Fehlanzeige. Spontaner Besuch ist gerne gesehen: Komm rein, komm rein. Vom Boden kannst du essen, aus der Toilette trinken, bloß keine falsche Scheu: Alles glänzt, alles ist wie neu, denn die Klausuren kommen. Und seitdem ich eigentlich lernen müsste, liebe ich meinen Lappen.
Dabei hatte ich mir letztes Semester doch geschworen, beim nächsten Mal rechtzeitig anzufangen. Wie konnte ich das schon wieder versemmeln? Laut Kalender müsste ich den Stoff jetzt in petto haben, stattdessen poliere ich inbrünstig hölzerne Kochlöffel. Der infame innere Schweinehund reibt wohlig grunzend seinen Ringelschwanz an meinem Bein. Hinter mir liegen verbummelte Tage: Bücher, Alben, Serien, Filme, alte Magazine – alles ist besser als dem penetranten Gejaule der Pflicht zu folgen.
Wenn ich nicht gerade mit einem täglichen Ausflug zum Supermarkt mein physisches Überleben sichere, oder sämtliche Kosmetikartikel in alphabetische Reihenfolge bringe, tigere ich durch die Wohnung wie ein getriebenes Tier. Man wundert sich über mein vorbildliches Antwortverhalten – sobald das Handy bimmelt, stürze ich mich darauf wie ein Durstender, der den letzten Tropfen Wasser in der Wüste ausfindig gemacht hat. Meine Konzentration ist ein Selbstläufer, der momentan in Höchstform flitzt – nur leider in die falsche Richtung. Klausuren, Hausarbeiten, Projekte: Die Nützlichkeit meines Talents mag fragwürdig sein, doch es lässt sich nicht bestreiten, dass ich verdammt gut darin bin, mehrere Dinge gleichzeitig nicht zu tun.
Abends ist meine Laune dunkler als die kalte Welt hinter den Fenstern. Die nackte Wahrheit, schon wieder nichts erledigt zu haben, starrt mir bibbernd ins Gesicht. Da hilft es, Routinen zu haben, die aus dem Morast der Untätigkeit befreien, ohne wirklich etwas tun zu müssen: Ich für meinen Teil schreibe Listen. Die sind sehr wichtig, denn Planung ist das halbe Leben und wegen des fruchtlosen Tages ist der Lernplan vom Vorabend so welk wie runzliges Obst. Die schlussendliche Feststellung, dass ja eigentlich noch genügend Zeit bleibt, um alles zu schaffen, bringt Schauer der Erleichterung. Wundervoll! Morgen fange ich an! Oder auch nicht. Mein Lappen ruft. Und ich bin kein Amateur: Wenn ich unter jedem meiner Bücher Staub gewischt habe, fange ich einfach wieder von vorne an!
Alternativ liest man auch Beiträge auf Blogs und kommentiert sie sogar, statt endlich die eine Vorlesung fertig zu machen 😉