The Age of Trotzdem: Sascha Lobos beste Moves

Auf der Republica 2016 hält Sascha Lobo die Rede "The Age of Trotzdem"

Drei postmoderne Dancemoves, zwei Snapchat-Witze und eine gewaltige Portion Trotzgefühl – das ist die Bilanz von Sascha Lobos Rede auf der Republica am 2. Mai 2016. Ein Minutenprotokoll.

19.47 Sascha Lobo beginnt seine Rede auf der Internetmesse mit Ironie. „Ich halte 60 bis 80 absurd hoch bezahlte Vorträge jährlich. Das ist der einzige, vor dem ich Angst habe“, sagt Lobo. Dann gibt er zu, dass das gelogen war. Aber war es das wirklich? Man weiß es nicht. Doppelte Ironie in der ersten Minute – das ist Sascha Lobos postmoderner Dancemove Number 1.

19.49 Nun macht sich Lobo über den Titel seiner eigenen Rede lustig: „The Age of Trotzdem.“ Was wohl der Grund für den Titel war? „Betrunkene Ausgedachtheit!“, erklärt Lobo.

19.54 Wenn schon die CSU Snapchat benutze, fragt Lobo – gibt es überhaupt noch Blogger und Nicht-Blogger? Oder sind einfach alle digital? Seine Antwort: „Es ist völlig unmöglich geworden, sich allein durch die Verwendung einer Internetsoftware überhaupt von irgendjemandem unterscheiden zu wollen.“

19.56 Ein Snapchat-Witz für zwischendurch: „Wir halten uns für eine digitale Avantgarde, weil wir noch viel früher als alle andere Snapchat nicht verstanden haben.“

19.58 Nach einer Viertelstunde wird es sentimental. Früher hätten Blogger noch glauben können, mit ihren Artikeln etwas Durchschlagendes zu bewirken. Die Welt zu verändern. Diese Hoffnung sei erloschen.

20.01 Trotzdem ruft Sascha Lobo zum Optimismus auf. Man müsse optimistisch sein, was das Netz angeht. Optimistisch, was die Gesellschaft angeht. Auch wenn es keinen Grund dafür gebe. Der einzige Grund für Optimismus ist Lobo zufolge ein reines Trotzgefühl, ein unermüdliches „Trotzdem!“. Wenn Lobos Rede ein Rapsong ist, dann ist dieses „Trotzdem“ seine Hook.

20.03 Lobo wird zum Einpeitscher und fordert das Publikum auf, mit ihm zusammen „Trotzdem!“ zu brüllen. „Ich fürchte, hier kippt der Vortrag in einen unangenehmen Mitmach-Vortrag“, kommentiert er. Und ruft: „Drei, zwei, eins: Trotzdem!“

20.04 Ein Hauch von Massenbewegung liegt über der Republica, als die Zuschauer – zunächst zaghaft, dann lauter – die „Trotzdem!“-Rufe erwidern. Dabei ist „Trotzdem“ nicht mehr als eine Verneinung, eine leere Aussage. Das „Trotzdem“ ist Lobos postmoderner Dancemove Number 2.

20.12 Sascha Lobo redet sich in zynische Stimmung. Angetrieben vom Trotzgefühl nimmt er sich Zeit für ein minutenlanges Bashing der digitalen Infrastruktur Deutschlands.

20.23 Noch ein Snapchat-Witz für zwischendurch. „Die Verwendung von Snapchat macht mich 25 Jahre jünger“, sagt Sascha Lobo. Stimmt nicht – oder vielleicht doch? Im Trotzdem-Zeitalter der Ironie lässt sich so etwas nicht entscheiden.

20.27 Im Remix-Stil cruist Sascha Lobo durch sein Œuvre und zaubert Thesen über die digitale Gesellschaft hervor. Eine der schönsten ist diese hier: Die digitale Wirtschaft wandelt sich Lobo zufolge zum Plattform-Kapitalismus – einem Kapitalismus, in dem Plattformen wie Uber die Regeln des Markts umbiegen und neu bestimmen. Was das genau heißt, schreibt er hier.

20.36 Zehn Minuten vor Ende des Vortrags zerreißt Sascha Lobo die Wand zwischen Online- und Offline-Welt – mit einer gewagten These. „Pegida“, sagt Lobo, „ist nicht mehr als eine Offline-Online-Community.“ Was sich früher als Hass im Netz getummelt habe, sei durch Pegida nun Teil der wirklichen Welt geworden. Sein Fazit: online ist offline und offline ist online. Dekonstruktion von Gegensätzen, das ist Lobos postmoderner Dancemove Number 3.

20.49 Am Ende weicht Lobos Zynismus reiner Euphorie. Plötzlich scheint wieder alles möglich – selbst die utopische Zeit, in der Blogger die Welt verändern können. Mit diesem Aufruf an alle Medienpeople schließt Lobo seine Rede ab: „Ich möchte Euch dazu drängen, unternehmerische Aktivisten zu werden. Damit die Generation nach uns in einem menschenwürdigeren Internet lebt.“ Dass Lobos „Trotzdem“-Hook eigentlich ein leeres Wort ist, scheint vergessen.

Dies ist ein Director’s Cut. Eine andere Version des Artikels ist via re-publica.de/news erschienen.

Foto: re:publica/ Jan Zappner (CC BY 2.0)

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Sebastian Meineck
Schreibt am liebsten über Netzkultur und digitale Gesellschaft. Seit 2018 als Senior Editor bei Vice Motherboard, von 2015 bis 2017 im Ressort Netzwelt von SPIEGEL ONLINE. Twittert als @SebMeineck. Mehr via Torial.com. Letztes Update: Februar 2018.

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