„Besorgte“ Bürger? – Warum wir hassen

Carolin Emcke sprach bei der Republica 2016 über das "Raster des Hasses".

Mal trifft es Muslime, mal trifft es Frauen: Auf der Internetmesse Republica erklärt die Publizistin Carolin Emcke, wie Hass funktioniert – und klagt jene an, die davon profitieren.

Im Februar 2016 erreicht ein Bus mit Geflüchteten das sächsische Dorf Clausnitz. „Wir sind das Volk!“, rufen rund 100 Demonstranten, und meinen damit: „Ihr gehört nicht dazu“. Ein YouTube-Video zeigt den Mob.

Warum hassen Menschen? Warum werden die Geflüchteten in Clausnitz nicht als Gäste, sondern als hassenswert wahrgenommen? Die Publizisten Carolin Emcke versteht das nicht – und nimmt ihr Unverständnis zum Anlass für ihren Vortrag am zweiten Tag der Republica 2016.

Wer hasst, der zieht eine Grenze zwischen sich und den anderen, stellt Carolin Emcke zu Anfang fest. Hass lässt Gruppen entstehen, die sich selbst oft gar nicht als Gruppe wahrnehmen: DIE Frauen, DIE Ausländer, DIE Homosexuellen. Je nach Geschlecht, Hautfarbe oder sexuellen Vorlieben werden Menschen zu Außenseitern.

Stereotype statt Fantasie

„Im Raster des Hasses sind Menschen nicht individuell sichtbar“, sagt Emcke. Einen Grund für den Hass sieht Emcke in stereotypen Darstellungen. Migranten etwa würden nur selten als Menschen mit Humor, Talenten oder auch Schwächen gezeigt. Meist seien sie nur Stellvertreter für DIE Muslime. „Das verstümmelt die Fantasie. Migranten in anderen Rollen zu denken, wird dadurch erschwert“, sagt Carolin Emcke.

Die in den Medien oft genannte „Flüchtlingswelle“ stilisiere geflüchtete Menschen außerdem zur Gefahr. Und das, obwohl die Geflüchteten selbst gefährdet sind – das zeigt das Video von Clausnitz. „Im Hass kehrt sich das tatsächliche Machtverhältnis um“, erklärt Carolin Emcke. Die vermeintliche Angst der besorgten Bürger entlarvt Emcke als Tarnung: „Wer Angst hat, sucht Distanz.“ Die Demonstranten im Video von Clausnitz aber brüllen und trommeln gegen den Bus. Sie suchen die Konfrontation.

Dann klagt Carolin Emcke an: Jene, die von der Angst profitieren. Die mit Angst vor den Geflüchteten um Wählerstimmen buhlen. Oder die mit ausländerfeindlichen Bestsellern Geld verdienen. Emcke spielt damit auf die AfD und den Autor Thilo Sarrazin an. „Sie hassen nicht selbst, sie lassen hassen“, sagt Emcke.

Das Fazit der Publizistin: „Wir müssen Migranten mehr Aufmerksamkeit schenken und Gegenerzählungen schaffen“. Wenn es um solche Gegenerzählungen geht, empfiehlt Studio54 die EinsPlus-Comedy-Reihe „StandUpMigranten“, in der Einwanderer ihre Geschichten mit Humor erzählen.

Foto: re:publica/Gregor Fischer (CC BY 2.0)

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Karen Bauer
Mitglied der 54. Lehrredaktion der Deutschen Journalistenschule. Twitter: @Karen_Bauer_

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