Seit 2016 müssen Frauen 30 Prozent der Aufsichtsräte von DAX-Unternehmen stellen. Doch diese Quote nützt wenig, denn erst wenn Geschlechter-Stereotype verschwinden, können Frauen mit Männern gleichziehen. Ein Kommentar.
Die Frauenquote soll einen Wandel bringen, Frauen Mitsprache und Führung ermöglichen. Tatsächlich gilt sie aber
nur für knapp 100 Aufsichtsräte in Deutschland. Auf die deutsche Bevölkerung übertragen sind es etwa 0,0015 Prozent
der Einwohner, die in einem Aufsichtsrat sitzen. Die breite Masse der Frauen wird nicht erreicht. Die Quote bringt ihnen keine besseren Chancen, stattdessen fördert sie das Elitedenken.
Seit Anfang 2016 gilt das Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern in Führungspositionen. In Aufsichtsräten von börsennotierten Unternehmen müssen von nun an mindestens 30 Prozent Männer und 30 Prozent Frauen sitzen. 30 Prozent reichen aus, um Entscheidungen zu beeinflussen – meint das Bundesfamilienministerium. Was die Politik verschweigt: Die Unternehmen sind davon gar nicht weit entfernt. Durchschnittlich 27 Prozent Frauen saßen voriges Jahr in den Aufsichtsräten der DAX-Unternehmen. Bei den 100 größten deutschen Unternehmen waren es gute 20 Prozent. Wenn das Gleichberechtigungsgesetz Deutschland weiterbringen soll, muss sich die Politik ehrgeizigere Ziele stecken. Es muss genauso viele Frauen wie Männer in Aufsichtsräten geben.
In 86 Jahren an die Spitze?
Das gilt auch für andere Spitzenpositionen. Die Unternehmen bestimmen selbst, wie viele Frauen im Vorstand oder den darunterliegenden Führungsebenen sitzen. Laut Gesetz müssen etwa 3500 Unternehmen nichts weiter tun, als selbst gesteckte Ziele zu veröffentlichen. Wenn sie diese Ziele nicht erreichen, passiert: nichts.
Sanktionen sieht die Bundesregierung nicht vor. Das ist gefährlich, denn viele Firmen halten so am Status quo fest. Knapp die Hälfte der DAX-Unternehmen hat im Jahr 2015 beschlossen, erst einmal keine Frau im Vorstand einzusetzen. Die letzten Jahre haben gezeigt: Nur langsam schaffen es mehr Frauen an die Spitze. Geht die Entwicklung so weiter wie in den letzten 8 Jahren, sitzen erst in 86 Jahren gleich viele Frauen wie Männer im Vorstand der 200 größten deutschen Unternehmen. Das ergab eine Hochrechnung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung.
Die Wirtschaft braucht verbindliche Quoten für alle Führungsebenen
Die Quote, wie sie jetzt gilt, ist ein halbherziger Versuch, die gläserne Decke von oben zu durchstoßen. Die wenigen von der Quote betroffenen Frauen sollen mehr Frauen nach sich ziehen. Damit aber Frauen zu den Männern aufschließen können, muss es einen verbindlichen Frauenanteil für alle Führungsebenen geben. Doch auch eine allgemeine Quote reicht nicht, um die Gesellschaft zu verändern. Erst wenn die Leistung von Frauen genauso viel zählt wie die von Männern, haben beide Geschlechter die gleichen Chancen. Frauen dürfen nicht schlechter bezahlt werden als Männer. Das gilt für Alleinstehende ebenso wie für Verheiratete und Mütter. Verheiratete Frauen werden bei der Besteuerung oft benachteiligt. Wird die Ehe später geschieden, droht ihnen Armut im Alter. Deshalb muss sich die Steuerpolitik zugunsten von Frauen ändern.
Bei alldem dürfen auch Männer nicht benachteiligt werden. Noch immer ist es für Väter nicht leicht, mehr als zwei Monate in Elternzeit zu gehen. Für die Arbeitgeber heißt das, flexible Arbeitszeiten zu fördern. Erst wenn Politik und Privatwirtschaft gemeinsam Geschlechter-Stereotype abbauen, erfüllt das Gleichberechtigungsgesetz wirklich seinen Namen.
Illustration: Lotte Düx
Hier gibt es das ganze Buch: „Because it’s 2016“ – Ein Projekt der Vodafone Stiftung in Kooperation mit der Deutschen Journalistenschule.