Ägypten: Muppet vor Gericht

Realsatire vom Feinsten: In Ägypten wird eine TV-Puppe verklagt – wegen Verletzung des öffentlichen Anstands.

Ägyptens beliebteste Puppe wird verklagt. Konservative Kräfte sind sich einig: Was sich das TV-Muppet Abla Fahita in seiner Satire-Sendung leiste, verstoße gegen den öffentlichen Anstand. Schließlich nimmt die Puppe mit den rosa Lockenwicklern und den Kulleraugen kein Blatt vor dem Mund – und spricht ganz unverblümt über Sex und Zensur in Ägypten.

In Ägypten ist Abla Fahita ein TV-Phänomen. Zwei Millionen Fans auf Facebook, 500.000 Follower auf Twitter und noch mal so viele auf Instagram. Dabei war Abla Fahita (übersetzt etwa: „Tante Hühnergeschnetzeltes”) anfangs nur ein Werbegag von Vodafone. Mittlerweile hat sie im Privatfernsehen eine eigene Satire-Show, die zur Prime Time läuft und Ägyptens zweitbeliebteste Sendung ist: Abla Fahita – Live from the Duplex. Abla Fahita machte Werbung für Nestlé und Coca Cola und taucht in einem Musikvideo mit dem ägyptischen Star Hassan El Shafei auf:

Abla Fahitas Satire-Show ist politischer und gesellschaftlicher Sprengstoff. Dafür sind die Produzenten bekannt: Eine frühere Satire-Sendung mussten sie wegen Morddrohungen und politischen Interventionen absetzen. Auch Abla Fahita ist keine brave Bürgerin. Das Muppet, verwitwet mit zwei Kindern, hat mehrere Schönheits-OPs hinter sich, räkelt sich gerne lasziv auf Sofas und macht dabei anzügliche Witze. Im konservativen Ägypten ist das, was da aus dem breiten Puppenmund kommt, ein Skandal. Abla Fahita beschönigt nichts:

“In unseren Köpfen ist nur Sex. Wir sagen: Schlimm, was für eine Schande. Aber in Wahrheit lieben wir es doch. Wir machen aus dem Thema gerne einen Elefanten, aber eigentlich nur, weil wir nie genug davon kriegen. Ja, wir sind ein gut erzogenes Volk. Aber ich bin schlecht erzogen und sorge hier gerade für einen Skandal.”
Quelle: Deutschlandradio

Ein Skandal für das konservativ regierte Ägypten: Dort stehen etwa Bücher wie „50 Shades of Grey“ auf dem Index. In ihrer Show kritisierte Abla Fahita die Verhaftung von Schriftstellern wie Ahmed Nagy. Für seine erotischen Texte wurde dieser in der Zwischenzeit zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt.

Abla Fahita steht nicht zum ersten Mal im Visier der Justiz. Schon 2014 ermittelte die Staatsanwaltschaft wegen Terrorverdachts gegen sie. Ein Anhänger glaubte in einer Deko-Weihnachtskugel in der Eröffnungsszene eine Bombe zu erkennen – und eine verschlüsselte Terror-Botschaft der Muslimbrüder.

Ende Juni muss Abla Fahita schon wieder vor Gericht. Klage eingereicht hat der bekannte ägyptische Anwalt Samir Sabry, der bereits erfolgreich gegen die Muslimbruderschaft und die Hamas prozessierte. Abla Fahita sei beleidigend, würde Politikern den Respekt versagen und sei mit den Werten Ägyptens nicht vereinbar – man müsse unterscheiden zwischen Meinungsfreiheit und moralischer Verkommenheit. Gerade Kinder sieht der Anwalt durch die Sendung in Gefahr. Auf Twitter erntet er Spott für seine Klage:

Für Abla Fahitas Fans bedroht die Klage die Meinungsfreiheit in Ägypten. Unter den Hashtags #FreeAbla und #FreeFahita erklärten sich viele Twitter-User schon 2014 mit dem Muppet solidarisch. Sie dürften ihrer frechen Puppe auch jetzt die Treue halten.

Mitarbeit: Rieke Winter

Foto: Jonathunder (CC BY-SA 4.0) via Wikimedia Commons

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Elsbeth Föger
54. Lehrredaktion der Deutschen Journalistenschule. Twittert unter @ElsbethFoeger.

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