Schön daneben

Frauenfiguren in Film und Fernsehen sind still und sexy – wenn sie überhaupt vorkommen. Auch Schauspielerinnen und Regisseurinnen haben es schwer. Über Rollen und Bilder von Frauen vor und hinter der Kamera.

Besteht Ihr Lieblingsfilm den Bechdel-Test? Der geht so: Kommen mindestens zwei Frauen vor, die einen Namen haben? Führen sie ein Gespräch miteinander? Über irgendetwas anderes als einen Mann? Das hört sich nach keinen allzu hohen Hürden an, trotzdem scheitern viele erfolgreiche Blockbuster an diesen Kriterien: die „Herr der Ringe“- und die Original-„Star Wars“-Trilogie, „Django Unchained“, „Lola rennt“, „Frühstück bei Tiffany“.

Alle diese Filme zeigen eine Männerwelt, in der Frauen, selbst als Hauptfiguren, immer nur die Nebenrolle spielen. Der sogenannte Bechdel-Test geht zurück auf einen Comic der Cartoonistin Alison Bechdel aus dem Jahr 1985. Zwar ist der Test keine wissenschaftliche Methode, aber er hat sich als ein Mittel durchgesetzt, um stereotype Rollenbilder auf der Kinoleinwand aufzuzeigen.

Keiner der Filme, die 2015 für den Oscar nominiert waren, hatte eine weibliche Hauptrolle

Von den 15 Filmen, die 2015 in der Kategorie „Bester Film“ für den Oscar nominiert waren, bestehen nur zwei den Test, und alle Hauptpersonen sind Männer. 2016 waren es zwar immerhin fünf von acht, aber der Gewinner, „The Revenant“, fällt beim Test durch. Die Geschichten, die die erfolgreichsten Filme der Gegenwart erzählen, erreichen Millionen von Menschen – und prägen damit ihre Sicht auf die Welt.

Diese Weltsicht ist nicht gerade frauenfreundlich: Wie Forscher der Universität von Southern California herausfanden, waren in den erfolgreichen Hollywoodfilmen der letzten Jahre nur rund 30 Prozent der Sprechrollen mit Frauen besetzt. Von den 100 erfolgreichsten Hollywood-Produktionen des Jahres 2014 hatten nur 21 eine weibliche Hauptrolle. Zudem waren die Frauen im Schnitt um viele Jahre jünger, wurden häufiger nackt oder in aufreizender Kleidung gezeigt und waren körperlich attraktiver als die männlichen Rollen. Lediglich acht Prozent der Männer wurden in sexy Garderobe gezeigt, aber fast 28 Prozent der Frauen.

Auch in Deutschland sind Helden klassischerweise männlich

In Deutschland ist die Lage kaum besser. Laut der deutschen Filmförderungsanstalt sitzen zwar mehr Frauen im Kinopublikum als Männer. Die meisten erfolgreichen Filmemacher sind jedoch männlich und erzählen aus ihrem Blickwinkel heraus Männergeschichten. Das schlägt sich anscheinend auch auf die Drehbücher nieder: Der Held ist klassischerweise männlich, Frauen sind meist Partnerinnen, Liebschaften oder Objekte der Begierde.

Dass der Großteil der Regisseure Männer sind, wurde in den letzten Jahren immer wieder auf den Filmfestspielen in Cannes oder auf der Berlinale diskutiert. Nur rund ein Fünftel aller Filme in Deutschland wird von Frauen gedreht. Dabei sind knapp die Hälfte der Absolventinnen an deutschen Filmhochschulen weiblich. Deutsche Regisseurinnen bekommen außerdem im Schnitt ein Drittel weniger Filmförderung. Selbst wenn die Protagonistin weiblich ist, bleibt sie doch oft die ewige Zweite. Das gilt auch für viele Kinderfilme.

Disney-Prinzessinnen bleiben schön und stumm

Disney-Prinzessinnen, die Idole von kleinen Mädchen in Glitzerkleidern, sind oft keine starken Vorbilder. „Arielle, die Meerjungfrau“, „Pocahontas“ und „Mulan“ haben nichts zu sagen: In diesen Filmen liegt der Redeanteil der männlichen Rollen zwischen 60 und 75 Prozent. In Filmen mit männlichen Hauptrollen ist der Redeanteil von Männern meist noch höher. Die taffe Mulan ist eine echte Heldin für kleine Mädchen und Jungs, aber dafür muss sie sich als Mann verkleiden. Wenn sie mit ihrer Mutter und ihrer Oma spricht, dann darüber, wen sie heiraten soll.

In neueren Produktionen stieg der weibliche Sprechanteil tendenziell an. In „Rapunzel – Neu verföhnt“ ist er weitgehend ausgeglichen, und in „Merida – Legende der Highlands“ sprechen Frauen drei Viertel der Dialoge. Allerdings ist dieser Trend nicht stabil: In „Die Eiskönigin – Völlig unverfroren“ kommen zu 60 Prozent Männer zu Wort – trotz zweier Disney-Prinzessinnen in den Hauptrollen.

Weibliche Hollywoodstars bekommen geringere Gagen, als ihre männlichen Kollegen

Diese Geringschätzung von weiblichen Hauptrollen zeigt sich auch hinter der Kamera. So werden Schauspielerinnen zum Beispiel um einiges schlechter bezahlt als ihre männlichen Kollegen. Vermutungen darüber gab es schon lange. Dass sie richtig sind, zeigten die geheimen Gehaltslisten der Firma Sony, die Hacker im Februar 2015 ins Netz stellten. Die Schauspielerin Amanda Seyfried kritisierte danach in einem Interview mit der „Sunday Times“, dass sie für einen ihrer großen Kinofilme nur zehn Prozent von dem Gehalt erhalten habe, das ihr männlicher Co-Star bekam. „Es geht nicht darum, wie viel man bekommt, sondern darum, wie fair das ist“, stellte sie klar.

Nicht ganz so groß war der Gehaltsunterschied bei Robin Wright, die laut „Forbes Magazine“ für ihre Rolle in der Serie „House of Cards“ 420 000 Dollar pro Folge verdiente, während ihr Kollege Kevin Spacey 500 000 Dollar erhielt. Das ließ die Schauspielerin nicht auf sich sitzen. Sie legte den Produzenten Statistiken vor, die belegten: Ihre Rolle der Claire Underwood war zeitweise beim Publikum beliebter als Spaceys Charakter Frank. Sie verhandelte, drohte, an die Öffentlichkeit zu gehen. Schließlich gaben die Produzenten nach.

Frauen sind Betroffene, Männer Experten

Nicht nur in fiktiven Geschichten, auch in den Nachrichten sind Frauen unterrepräsentiert. Sie machen über die Hälfte der Gesamtbevölkerung aus, stellen aber in den Medien weltweit nur ein Drittel der Akteure. In Artikeln und Nachrichtensendungen werden Frauen häufiger als Personen von der Straße oder als Betroffene gezeigt. Experten-Einschätzungen bleiben meist Männern vorbehalten.

„Je stärker es in Richtung Expertentum geht, desto rarer werden Frauen“, erklärt Susanne Kinnebrock. Sie ist Professorin an der Universität Augsburg und spezialisiert auf kommunikationswissenschaftliche Gender Studies. Diese Geschlechterverteilung spiegele die Realität nicht wider, sagt sie. Vielmehr würde so die Wirklichkeit durch eine „Gender-Brille“ verzerrt. Schließlich arbeiteten immer mehr Frauen in Führungs- und Expertenpositionen.

Das Weltbild in den Medien ist von gestern

Der soziale Wandel sei gemeinhin schneller als der mediale Wandel. Das Weltbild, das uns täglich in den Medien präsentiert würde, sei also eins von gestern. Kinder und Jugendliche sind dauerhaft mit diesem überholten Bild konfrontiert, das als Normalität verkauft wird. Sehen Mädchen bestimmte Rollen immer nur von Männern repräsentiert, können sie sich auch schwerer vorstellen, selbst einmal eine solche Position einzunehmen. „Aus dem Bereich der Unternehmen wissen wir, dass es eine sehr starke Orientierung an tatsächlichen Personen gibt. Gibt es Vorbilder in einer Position, zum Beispiel eine Frau als Abteilungsleiterin, wird das auch für Jüngere vorstellbarer“, so Kinnebrock.

Die Frauen in Filmen hingegen werden beschützt, erobert und begehrt. Selbst wenn sie Hauptfiguren sind, ist das, was Frauen sagen, nebensächlich. Dafür sehen sie besonders gut aus. Orientieren sich junge Menschen an diesen (Vor-)Bildern, müssen Mädchen vor allem eins sein: schön.

Foto: Fairy, Tales via Pixabay (CC0)

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