Kommentar: Streaming kills the Radio Star

Jan Böhmermann und Olli Schulz wechseln zu Spotify – Hochverrat oder schlauer Schachzug?

Tschüss öffentlich-rechtliches Radio, hallo Streamingdienst!

Seit Montag steht fest: Jan Böhmermann und Olli Schulz beenden ihre Radioshow „Sanft und Sorgfältig“ bei Radioeins und wechseln zu Spotify. Der perfekte Zeitpunkt für Spotify den Radiosendern ihr Alleinstellungsmerkmal streitig zu machen: die Moderatoren.

Jan Böhmermann verlässt damit seine berufliche Heimat. Bei 1Live begann er seine Karriere als Moderator und Komiker. Der junge Radiosender des WDR war sein Sprungbrett zum Fernsehen und brachte ihm deutschlandweite Bekanntheit. Dem ZDF bleibt er mit der Sendung „Neo Magazin Royale“ treu, nur seine Hörer nimmt er nun mit zu Spotify.

Und die sind davon nicht begeistert. Böhmermann und sein Partner, der Musiker Olli Schulz, hätten sich kaufen lassen, klagen die Fans auf Twitter. Unrecht haben sie damit nicht. Der Grund für das Ende von „Sanft und Sorgfältig“: Geld. Man könne mit dem Angebot nicht mithalten, das Spotify den Entertainern gemacht habe, erklärte Radioeins.

Dass Schulz und Böhmermann in der Vergangenheit noch über Spotify gelästert haben, stimmt ihre Fans nicht gerade wohler. „Spotify ist so eine Scheiß-Plattform, wo der Künstler keine Kohle bekommt“, wetterten sie in ihrer Sendung. Ob das als Satire gemeint war, ist fragwürdig. Einen Zusammenhang mit der Debatte über Böhmermanns „Schmähgedicht“ gibt es angeblich auch nicht. Das behaupten die beiden Moderatoren zumindest.

Trotzdem: Böhmermanns Bekanntheitsgrad ist rasant gestiegen und damit sicher auch sein Marktwert.

Schulz und Böhmermann haben also die Gelegenheit beim Schopf gepackt, ihren Preis erhöht, und gehen nun als große Gewinner aus den Verhandlungen heraus. Und auch für Spotify lohnt sich der Deal: Schulz und Böhmermann sind gute PR im Konkurrenzkampf gegen Apple Music.

So zweifelhaft die Entscheidung aber sein mag, vielleicht nehmen die öffentlich-rechtlichen Sender ihre Konkurrenz nun ernster. Spotifys Popularität spricht für sich. Die Nutzer wollen ihre Musik immer und überall selbst aussuchen und nicht einen Mix aus Mainstream vorgesetzt bekommen, der nur zu festen Zeiten und in festen Sendegebieten hörbar ist.

Dazu bekommen sie jetzt dank Schulz und Böhmermann bei Spotify noch Unterhaltung geboten – auch auf Abruf. Ein Modell, das gut funktionieren wird und sicher bald andere Entertainer zu Spotify lockt. Jetzt ist es an den Radiosendern, mit der Zeit zu gehen und den Hörern ein individuelleres Radioerlebnis zu bieten.

Foto: obs/ZDF/ZDF/Ben Knabe

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