Fakt oder Propaganda? Sechs Recherche-Tipps von „Bellingcat“

Gerade in Kriegsregionen sind Fakten und Propaganda schwer voneinander zu trennen. Wie Profis das machen, erklärt Enthüllungs-Journalist Aric Toler vom Netzwerk „Bellingcat“ auf der Republica in Berlin.

Für Aric Toler ist es manchmal wie ein Spiel: Puzzleteile zusammenfügen, Fakten prüfen, Propaganda enttarnen. So sieht sein Alltag bei Bellingcat aus, einem Netzwerk für investigative Recherche. Mit seinem Team verifiziert Toler täglich Informationen, etwa aus Kriegsgebieten wie der Ostukraine und Syrien.

Bellingcat fand zum Beispiel heraus, wo russische Panzer in der Ukraine gesichtet wurden – und wo es russische Luftanschläge in Syrien gegeben hat. Gerade in Kriegsregionen sind Wahrheit und Propaganda oft schwer auseinanderzuhalten. Wie sich Informationen trotzdem verifzieren lassen, erklärt Aric Toler auf der Internetmesse Republica.

1. Archiviere dein Material

Egal, auf welcher Plattform: Es ist wichtig, sofort Screenshots und Sicherungen der gefundenen Informationen zu machen. Schließlich können Fotos nachbearbeitet, Videos gelöscht oder neu hochgeladen werden. Seine Quellen, so Toler, solle man dabei klar benennen und frei zugänglich machen: „Das stärkt das Vertrauen zwischen Leser und Journalist.“

2. Checke das Geo-Tagging

Viele Bilder, die man in den sozialen Medien findet, haben Geo-Tags: Meta-Daten, die verraten, wo das Bild aufgenommen wurde. Doch auch Meta-Daten können manipuliert werden. Um Fotos zu verorten, hilft es manchmal, auf markante Gebäude, Straßenschilder oder einfach nur die Landschaft zu achten.

3. Achte auf Details

Besonders Details können verräterisch sein.  Als ein und derselbe russischer Panzer in mehreren Videos auftauchte, konnte ihn Aric Tolers Team wegen einer Kleinigkeit identifizieren: Es war ein Datum, das wohl ein gelangweilter Soldat auf seine Oberfläche geritzt hatte.

4. Durchforste soziale Medien

Auch die sozialen Medien lasssen sich zur Recherche nutzen. Um herauszufinden, wo sich russische Panzer in der Ukraine befanden, durchforstete Aric Toler etwa die privaten Accounts von Soldaten, die gerne mal für ein Selfie vor ihren Panzern posieren.

5. Nutze Propaganda als Quelle

Nützliche Informationen kommen auch von denen, die Propaganda betreiben – wenn man sie richtig einordnet. Als Toler zum russischen Militäreinsatz in Syrien recherchierte, stieß er auf ein Video des russischen Verteidigungsministeriums. Es zeigte einen Luftangriff russischerTruppen, angeblich auf eine syrische Ölraffinerie. Doch das attackierte Gebäude im Video hatte eine außergewöhnliche Form. Später fand Aric Tolers Team heraus, dass die vermeintliche Ölraffinerei eigentlich ein Wassertank war.

6. Lass dir von der Crowd helfen

Auf der Online-Plattform „CheckDesk“ können Rechercheure einfach die Community um Hilfe bitten. Toler postete dort zum Beispiel Videos von unidentifizierten Panzern in der Ukraine. So entdeckte ein Nutzer durch Zufall, das in verschiedenen Videos ein bestimmter Panzer an derselben Stelle eine Delle hatte – und konnte ihn dadurch identifizieren.

Wer fit in Recherche werden will, muss aber vor allem eines: üben, üben, üben. Zur Inspiration hat Toler via Bellingcat.com eine Liste mit Online-Beispielen zusammengestellt.

Foto: re:publica/Gregor Fischer (CC BY 2.0)

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Elsbeth Föger
54. Lehrredaktion der Deutschen Journalistenschule. Twittert unter @ElsbethFoeger.

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