Frauen an den Herd?!

Küchenarbeit gilt als Frauensache, doch die meisten Profiköche sind Männer. Von zwei Frauen, die den Spieß umgedreht haben. Von Emil Nefzger und Caroline Wiemann

 

Douce Steiner, Hotel Restaurant Hirschen in Sulzburg

Seit 2008 führt Douce Steiner das Gasthaus ihrer Familie. Mit zwei Michelin-Sternen gilt sie als die beste Köchin Deutschlands. Doch der Weg dahin war beschwerlich.

Die Küche des „Hirschen“ ist unerwartet klein. Mehrere Köche drängen sich auf engem Raum und bereiten den Mittagsservice vor. Douce Steiner steht am Rand, gibt mit freundlicher Stimme Anweisungen. Geschrien wird bei ihr nie, es herrscht immer ein höflicher Ton. Sie verschwindet kurz aus der Küche, um zwei Hotelgäste persönlich zu verabschieden. Mit ihren kurzen, schwarzen Haaren und der weißen Kochjacke scheint sie überall gleichzeitig zu sein. Ihren dunklen Augen entgeht nichts. Schnell die restlichen Semmeln vom Frühstück wegräumen, dann zurück in die Küche.

In der Familie Steiner ging es immer nur ums Essen. „Ich bin quasi in der Gastronomie aufgewachsen“, sagt Steiner. Als sie acht Jahre alt war, kaufte ihr Vater den „Hirschen“ in Sulzburg und erkochte sich zwei Sterne. Mit 13 begann sie im Service auszuhelfen, um ein bisschen Geld zu verdienen. „Aber das war nicht das Richtige für mich, ich wollte lieber in die Küche.“

Mit 16 machte sie den Realschulabschluss und wusste nicht, wie es weitergehen soll. Abitur und dann studieren? „Ich hätte weitermachen können, in Richtung Kunst oder Jazztanz, also Sport.“ Stattdessen hat sie sechs Wochen bei ihrem Vater in der Küche gearbeitet. „Das war das erste Mal für mich, viele denken, man wird da reingeboren, aber das ist Quatsch“, erzählt die heute 45-Jährige und lacht. Durch ihren Vater wurde ihr Gaumen automatisch geschult, aber das Handwerk konnte sie noch nicht. Nach dem Praktikum sagte sie zu ihrem Vater: „Das mache ich weiter, keine Schule mehr.“

In Deutschland stehen stehen 305 Männern mit Michelin-Sternen nur sieben Frauen gegenüber

Die Suche nach einer Lehrstelle war sehr schwierig, viele Sternerestaurants bildeten damals nicht aus. „Ich wollte aber unbedingt in dieser Linie bleiben.“ Also machte sie die Lehre bei ihrem Vater, musste als einzige Auszubildende alle Lehrlingsaufgaben alleine übernehmen. Das Kühlhaus schrubben, den Herd putzen, solche Dinge. Danach ging sie, da war sie 19, in ein Drei-Sterne-Restaurant ins Burgund – als einzige Frau unter 45 Köchen. Der Alltag mit den Kollegen? „Das war sehr grenzwertig, da habe ich auch Sachen gehört wie: Eine Frau gehört zu Hause an den Herd, die hat in der Gastronomie nichts zu suchen.“ Danach schrieb sie Bewerbungen an deutsche Sterne-Restaurants, wurde abgelehnt. Begründung: Wir stellen keine Frauen ein. „Diese Sachen sind aber, glaube ich, vorbei“, sagt die Köchin und lacht.

Die Sterneküche gilt immer noch als Männerdomäne – in Deutschland stehen 305 Männern mit Michelin-Sternen nur 7 Frauen gegenüber. Für Douce Steiner liegt das aber nicht an der Küche: „Führungspositionen sind für Frauen immer noch schwer zu erreichen. Wenn die Frau ein Kind bekommt, ist es halt immer noch normal, dass sie zu Hause bleibt und nicht der Mann den Beruf aufgibt.“ Wenn sie keinen eigenen Gasthof hätte, wäre es schwieriger, Beruf und Familie zu vereinen. „So ist meine Tochter hier aufgewachsen, meine Eltern und mein Mann sind da, mein Mann auch mit in der Küche. Und ob ich das Kind wickle und ins Bett bringe oder er, das war schon immer egal.“

„Männer sehen alles als Wettbewerb“

Wenn der Partner nicht mitspielt, ist es weiterhin schwierig, sich in der Spitzengastronomie als Frau durchzusetzen, meint Douce Steiner. Dabei kann die Sterneküche von den Küchenchefinnen nur profitieren, glaubt sie. Die Spitzenköchinnen seien vor allem konsequenter mit sich selbst und achten nicht so sehr darauf, was andere machen. „Männer schauen viel mehr auf Trends, sehen alles als Wettbewerb. Ich will nie etwas so ähnlich wie andere machen. Sonst gibt’s von Spanien bis Norwegen das Gleiche.“ Von der Frauenquote hält sie aber nichts, so etwas müsse sich von selbst entwickeln. Vorschriften würden niemandem helfen. Für Unterschiede beim Gehalt hat sie jedoch kein Verständnis: „Wenn jemand etwas leistet, ist es doch egal, ob Mann oder Frau.“

 

 

Marie Helmstetter, Café Hygge in Mainz

Schon als Kind wollte sie Köchin werden. Mit 25 kocht Marie Helmstetter in ihrem eigenen Café – und hat einen 90-Stunden-Job.

Marie Helmstetter steht am Herd und rührt in einem silbernen Topf. Gerade kommt eine neue Bestellung rein: „Ich brauch’ noch eine Suppe und mehr Brot“, ruft ihr die Kell- nerin zu. Helmstetter wuselt in der 18-Quadratmeter-Küche umher. Sie verschwindet in der winzigen Vorratskammer und holt einen frischen Laib Sauerteigbrot hervor, den sie in großzügige Scheiben schneidet. Die Inspiration, ein dänisches Café aufzumachen, holte sich die 25-Jährige auf einem Urlaub in Kopenhagen. Über der weißen Kochjacke trägt sie eine hellblaue Service-Schürze.

Helmstetter kocht und bedient gleichzeitig. Und das zwölf Stunden an sechs Tagen in der Woche. Die übrige Zeit muss sie sich um Einkäufe und Buchhaltung kümmern. Ein 90-Stunden-Job. Sie hat ihn sich selbst ausgesucht. Kaum eine Ausbildung wird so oft abgebrochen wie die Kochausbildung. Marie Helmstetter hat sich trotzdem durchgekämpft – als einzige Frau unter 14 Männern. Ein Unterfangen, das ihr nicht jeder zutraute.

Marie Helmstetter arbeitet zwölf Stunden an sechs Tagen in der Woche

Helmstetter ist eine zierliche Person, 1,55 Meter groß, hellbrauner Zopf. Ihre Ohrläppchen zieren zwei schlichte Sechsecke aus Gold. Wenn sie spricht, fährt sie sich durch das zurückgebundene Haar. Helmstetter sagt von sich selbst, dass sie aussehe wie 16, deswegen werde sie manchmal unterschätzt. Aber sie habe Ehrgeiz und Durchsetzungskraft. Und sie weiß, wo sie damit hinwill.

Dass sie Köchin werden wollte, setzte Helmstetter sich in den Kopf, weil ein Freund ihrer Eltern ein Restaurant betrieb. Nachdem sie den Girls’Day dort verbracht hatte, war klar: Sie wollte das auch. Ihre Eltern ließen sie zunächst Praktika in verschiedenen Küchen machen. Um sicher zu sein, dass das wirklich ihr Berufswunsch ist. Also erst einmal Kartoffeln schälen und Obst schneiden.

Der Wunsch, Köchin zu werden, blieb. Nach dem Abitur machte sie dann die Kochausbildung. Ein gutes Restaurant sollte es sein, also entschied sich Helmstetter für das „Kronenschlösschen“ im Rheingau, ein Hotelrestaurant mit Gourmetküche und einem Stern. Drei Jahre ging die Ausbildung, in der sie alle Posten in der Sterneküche durchprobierte: Vorspeisen, Fleisch, Fisch, Beilagen, Dessert. Eine anstrengende Zeit mit Arbeitstagen zwischen 12 und 16 Stunden. Die Tatsache, dass sie die einzige Frau in der Küche war, machte es ihr nicht leichter. „Man muss sich schon mehr beweisen als Männer. Aber andererseits sind auch viele Fähigkeiten der Frauen sehr gefragt. Zum Beispiel die Organisiertheit. Ich weiß, dass mein Küchenchef mich dafür zum Schluss sehr geschätzt hat.“

Fremde unterschätzen Helmstetter hin und wieder

In der Regel folgen nach der Ausbildung einjährige Anstellungen in unterschiedlichen Restaurants, um möglichst viele Erfahrungen zu sammeln. Helmstetter wollte sich lieber selbstständig machen. Ein Jahr nach der Ausbildung nahm sie einen Kredit auf und eröffnete in ihrer Heimatstadt Mainz das Café „Hygge“. Sie hat dabei viel Unterstützung bekommen, von ihren Eltern und ihrem Freundeskreis. Da war keiner, der gesagt hat: „Mach’ das nicht“.

Nur von Fremden wird sie hin und wieder unterschätzt. Zum Beispiel, wenn sie der Lieferant fragt, ob sie auch wirklich die Rolle Alufolie tragen könne. Dann verdreht sie die braunen Augen. Dabei hebt sie die rechte Hand wie zum Achselzucken hoch, die Handfläche nach oben könnte mit Leichtigkeit ein imaginäres Tablett voller Bierhumpen tragen. „Ich kann ja wohl ’ne Alufolie tragen!“, sagt sie dann in empörtem Tonfall. Marie Helmstetter macht lieber selbst, als sich von anderen etwas abnehmen zu lassen. „Das hat mich schon in der Ausbildung tierisch genervt. Ich lass’ mir halt ungern helfen und versuch’ trotz meiner Größe, überall dranzukommen.“

Sie ist zufrieden mit dem, was sie sich aufgebaut hat. Das Café Hygge läuft gut, und die Arbeit macht ihr Spaß, trotz fehlender Freizeit. Helmstetter ist das Positivbeispiel der Berufsköchin. Eine Frau im männerdominierten Gewerbe, die sich ohne viel Aufhebens durchgesetzt hat. Für sie ist das nichts Besonderes. Und vielleicht ist es genau diese Selbstverständlichkeit, die der Schlüssel zu ihrem Erfolg ist. Die weißen und roten Aufziehperlen des Armbandes, das an Helmstetters Handgelenk baumelt, sind aufschlussreich. Sie formen das dänische Wort „Hygge“, den Namen ihres Cafés. Es bedeutet „Gemütlichkeit“.

Foto: Pixabay (CC0)

Hier gibt es das ganze Buch: „Because it’s 2016“ – Ein Projekt der Vodafone Stiftung in Kooperation mit der Deutschen Journalistenschule.

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Caroline Wiemann
1992 in Mainz geboren, Theater und Publizistik studiert. Jetzt: Deutsche Journalistenschule & siekommen.org. Twittert unter @CaroWiemann.

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