Gestern Techniker, heute Technikerin

Letzte Alternative: Escort-Service? Wenn Trans* sich outen, riskieren sie ihren Job – sie werden versetzt, entlassen oder gar nicht erst eingestellt.

Ronja ist eine von über fünf Millionen arbeitslosen Menschen in Deutschland – das sind 6,5 Prozent der Bevölkerung. Doch obwohl ihre Situation ähnlich ist, kämpft Ronja mit Problemen, die den meisten erspart bleiben – denn sie ist trans*: eine Frau, die im Körper eines Mannes geboren wurde. Nachdem Ronja begonnen hatte, ihre Erscheinung ihrem Geschlecht anzupassen, versuchte sie, einen Job zu finden „Ich hatte mich in einer Firma beworben, ein Bekannter hatte mir den Tipp gegeben“, schreibt Ronja im Forum transtreff.de. „Letztlich sprach der Chef intern aus, dass Menschen wie ich das Image der Firma kontraproduktiv beeinflussen würden.“

Eine Mitarbeiterin der Agentur für Arbeit habe ihr gesagt, sie könne Ronja nicht in Frauenberufe vermitteln – dasselbe hörte sie von diversen privaten Agenturen. „Für eine Tätigkeit, die in der Regel Frauen erledigen, sei ich generell nicht geeignet, und auf den Hinweis, dass ich eine Frau sei, wurde reagiert mit: ‚Ich weiß ja, Sie sind eine transsexuelle Frau, aber meine Kunden wollen richtige Frauen, weil nur die richtig arbeiten können.‘ Oder: ‚Ich kann Sie als Mann eh nicht vermitteln, also rufen Sie mich bitte nicht wieder an!‘“ Das Arbeitsamt habe Ronja vorgeschlagen, in einer Firma erotische Massagen anzubieten und als Escort-Dame zu arbeiten. „Ja, geht’s denn noch!? Bin ich als Transfrau irgendwie Freiwild? Das kann’s doch nicht sein! Ich werde dagegen kämpfen, mit Sicherheit.“

Bis zu 54 Prozent sind arbeitslos

Das Wort „trans*“ schließt alle Menschen ein, die sich nicht mit dem Geschlecht identifizieren, das ihr Körper bei der Geburt hat. Der Stern symbolisiert, dass auch Geschlechter abseits von Frau und Mann einbezogen werden. Wie viele Menschen in Deutschland trans* sind, kann nur geschätzt werden – die Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität (dgti) geht davon aus, dass mindestens 80 000 Menschen in Deutschland „die Geschlechtsrolle wechseln und über die Hormone hinaus medizinische Maßnahmen benötigen.“

Laut einer Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, hält die Hälfte der Trans* Personen ihr Geschlecht am Arbeitsplatz geheim. Die Ergebnisse aus Europa und den USA zeigen auch, dass bis zu 54 Prozent von ihnen arbeitslos
sind. Bis zu einem Drittel der Befragten gab an, ihren Job verloren zu haben, weil sie trans* seien. Außerdem verdienten
sie weniger als Kollegen in vergleichbaren Positionen und machten seltener Karriere.

In den Keller versetzt

Patricia Metzer ist Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität. Ihr zufolge haben diese Zustände am Arbeitsmarkt verschiedene Gründe: „Das Outing ist ein Durchkämpfen – der gesamte Prozess kann etwa zwei Jahre dauern. In dieser Zeit braucht man einen großen Teil der Kräfte für die rechtlichen und medizinischen Schritte, aber auch für alle möglichen Probleme in der Familie, dem Beruf und der Gesellschaft. Daher ist in dieser Zeit häufig die Arbeitskraft der betroffenen Menschen beeinträchtigt“, erklärt Metzer. Viele hätten vor ihrem Outing als Frau einen besonders männlichen Beruf ergriffen, um sich ihr Mannsein zu beweisen.

Nach dem Outing würden sie diesen dann nicht mehr als passend empfinden und Klischees übererfüllen. „Nach dem Motto: ‚Ich bin eine Frau, also brauche ich jetzt einen weiblichen Job.‘“ Umgekehrt würden auch Männer, die körperlich weiblich sind, vor ihrem Outing oft typische Frauenberufe anstreben. Doch das ist nur ein Teil der Geschichte. Der andere Teil, von dem Metzer erzählt, ist weniger selbstverantwortlich: „Viele verlieren ihren Arbeitsplatz, weil Mitarbeiter und Chef*in mit der Thematik nicht klarkommen. Da kenne ich leider einige Fälle. Zum Beispiel einen Menschen, der als Frau bei einer regionalen Bank am Schalter eingestellt wurde.“ Nachdem er sich als Mann geoutet hatte, sollte er nicht mehr mit Kunden arbeiten und sei zu den Akten in den Keller versetzt worden. Der Filialleiter habe ihn weiterhin als Frau angesprochen.

„Es gibt auch mutige Arbeitgeber“

So ähnlich erging es auch Michaela: „Mein damaliger Arbeitgeber (eine Frau) meinte, dass die Kunden mit mir Probleme haben könnten, nach meinem Wechsel“, berichtet die Hörgeräte-Akustikerin auf transtreff.de. Ihr Vorschlag, es auszutesten, sei abgelehnt worden. Was folgte, war eine „betriebsbedingte Kündigung“, nach 18 Jahren in der Firma. „Aber es gibt auch mutige Arbeitgeber“, erzählt sie dann. Ihr neuer Chef habe beim Vorstellungsgespräch gesagt, dass er auf die Erfahrung nicht verzichten und den Versuch mit ihr starten wolle. Sollten die Kunden wirklich Probleme haben, müsste man sich eben trennen. Aber: „Der Erfolg gibt ihm recht: Ich bin jetzt dreieinhalb Jahre in der Firma, und es sind keine Probleme aufgetreten.“

Medien und Politik greifen Schwierigkeiten wie die von Michaela kaum auf. Das zeigt auch eine Umfrage des Vereins „Aktion Transsexualität und Menschenrecht“: Die Befragten gaben an, Journalisten würden Klischees reproduzieren, falsche Personalpronomen benutzen und mit Formulierungen wie ein Mann sei „als Frau geboren“ in die Irre führen. Zudem würden Redaktionen Beschwerden meist nicht ernst nehmen. Auch die Bundespolitik der letzten Jahre war laut zwei Drittel der Befragten keine Hilfe; 90 Prozent fanden, dass die Politiker Trans*Menschen zu wenig in Reformprozesse eingebunden haben. Unterstützt wurden die Befragten vor allem von Lebenspartnern, Familie und Freunden sowie durch Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen. Kaum hilfreich waren hingegen Fremde, die Schule oder die Ausbildung.

„Mit High Heels kann ich nicht ins Feuer laufen“

Doch es gibt Fortschritte: Mittlerweile rufen nicht nur Arbeitnehmer, sondern auch Arbeitgeber bei Patricia Metzer an, um sich beraten zu lassen. Manchmal zu spät – der Feuerwehr eines kleinen Ortes konnte sie nicht mehr helfen: „Zwei Feuerwehrmänner, die sich nicht getraut haben, sich als Frau zu outen, nahmen Urlaub, um sich einer geschlechtsangleichenden OP im Ausland zu unterziehen“, erinnert sie sich. „Das Problem war dann, dass sie mit ihren Silikon-Brüsten erhitzte Räume nicht mehr betreten durften und keine Sauerstoffgeräte tragen konnten, weil die zu schwer waren.“ Schließlich mussten die beiden Frauen aus dem Beruf ausscheiden, weil sie durch ihren Lebenswandel und Kleidungsstil berufsunfähig geworden waren. „Mit High Heels kann ich einfach nicht ins Feuer laufen“, fährt Metzer fort, „aber wenn diese beiden Frauen vorher in die Beratung gekommen wären, hätten wir gemeinsam mit dem Arbeitgeber Wege finden können.“

Bis heute müssen die meisten Trans*Menschen nach dem Outing ihren Job wechseln. Einen Beitrag dazu, dass das nicht so bleibt, leistet die Arbeitsgruppe „Trans* in Arbeit“ und die Veranstaltung „Sticks & Stones“: Eine Karrieremesse für alle – Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und Heteros –, die jährlich in Berlin stattfindet. Sie fördert die Vernetzung, was den Jobwechsel erleichtert, und klärt auf, sodass auch das Bleiben vereinfacht wird. Damit Outings wie das von Sabrina, Technikerin in einer reinen Männerdomäne, zur Regel werden: „Ich war vier Monate krankgeschrieben. Als ich wieder angefangen habe zu arbeiten, habe ich eine E-Mail an die Geschäfts- und Produktionsleitung geschrieben, in der ich erklärt habe, dass ich in Zukunft als Frau Sabrina auf der Arbeit erscheine und sie den alten Mitarbeiter Herrn Stefan verabschieden sollten“, schreibt sie bei transtreff.de.

Nach einer Besprechung mit der Leitung und allen Schichtführern habe man eine Umfrage gestartet, zwecks Benutzung der Damentoilette und Umkleide – und den Mitarbeitern erklärt, was die Situation sei und wie sie Sabrina ansprechen sollten. „Ich fand alles ziemlich fair, vor allem meinen Chef. Er ist ausdrücklich gegen Diskriminierung in der Firma und hat die Mitarbeiter auf die Konsequenzen hingewiesen, die passieren, wenn mich jemand mobbt oder diskriminiert.“

Foto: Dennis Skley (CC BY-ND 2.0)

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