Warum der Girls‘ Day Unsinn ist

Bohrmaschinen für Mädchen, Friseurscheren für Jungs: Mit solchen Maßnahmen beruhigt die Politik ihr schlechtes Gewissen. Echte Gender-Politik sieht anders aus. Ein Kommentar.

Mit dem Girls’Day ist es so ähnlich wie mit dem Muttertag: Die meiste Zeit verschwendet man keinen Gedanken da ran – aber einmal im Jahr wird ein Spektakel veranstaltet, um sich die nächsten 364 Tage nicht mehr kümmern zu müssen. Seit 2001 bekommen Mädchen einen Tag lang schulfrei, um männerdominierte Berufe kennenzulernen. Als KFZ-Mechanikerin etwa oder als Ingenieurin. In Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik, den sogenannten MINT-Fächern, sind Frauen wenig vertreten. Der Girls’Day soll das ändern. Es ist eine Aktion mit prominenter Unterstützung: Zum Jubiläum im Jahr 2010 stellte sich sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel als Schirmherrin zur Verfügung.

Dabei ist der Girls’Day ein Alibi-Projekt, das über Versäumnisse in der Genderpolitik hinwegtäuschen soll. Die Bundesministerien für Bildung und Forschung und für Familie, Senioren, Frauen und Jugend schaffen es nicht, echte Gleichberechtigung durchzusetzen. Möglichkeiten gäbe es genug: mehr Mentoring-Programme für Berufseinsteigerinnen, mehr Kitaplätze, flexible Arbeitszeiten in allen Berufen. Und nicht zuletzt: Es ist Zeit für eine verpflichtende Frauenquote von 50 Prozent in Deutschlands Aufsichtsräten. Doch all das packt die Politik nicht wirklich an. Lieber beruhigt sie ihr Gewissen mit dem Girls’Day.

Dabei hilft es wenig, einem Mädchen einmal im Jahr eine Motorsäge in die Hand zu drücken. Ein paar Stunden reichen nicht aus, um sich ein Bild von einem Beruf zu machen. Womöglich ist die Schülerin die einzige Frau in einem Männerbetrieb. Das suggeriert: „Wenn du diesen Beruf später machst, bist du ein Sonderfall.“ Eben das ändere sich dank des Girls’Day, sagen die Initiatoren: Unter Malern und Lackierern sei der Frauenanteil gestiegen – und zwar von 8,1 auf 15 Prozent zwischen 2003 und 2014. Gab es in den MINT-Studienfächern im Jahr 2008 noch 18,6 Prozent Studienanfängerinnen, waren es im Wintersemester 2014 schon 31,3 Prozent.

Das klingt positiv. Doch welchen Effekt die Aktion auf die Berufsentscheidung hat, ist schwer zu messen. Außerdem
bedient der Girls’Day munter Stereotype. Welche Farbe haben die Organisatoren für die Website gewählt? Grelles Pink. Und ein Blick auf die Website des Boys’Day, den es bundesweit seit 2011 gibt, zeigt – Überraschung – die Farbe Blau. Statt den Schülerinnen im Sinne der Gleichberechtigung die gesamte Berufspalette vorzustellen, trägt der Girls’Day zur Konstruktion des typischen Männerberufs bei: der Automechaniker, der Programmierer, der Fliesenleger. Statistisch mag es zutreffen, dass es so etwas wie männlich dominierte Berufe gibt. Und doch bestätigt die Aktion das Klischee, dass Mädchen anders ticken als ihre Schulkameraden und mit sanftem Druck an die handwerklichen, technischen Berufe herangeführt werden müssen. Die Jungs betrifft das genauso: Erzieherin, Krankenschwester, Friseurin – all diese Berufe werden mit dem Stempel „exotisch“ und „ungewöhnlich“ erst zu Frauenberufen gemacht. Der Girls’Day klingt nicht nach einer Aktion für Gleichberechtigung, sondern nach einer Einladung zum Karneval: „Junge, schraub’ nicht mehr am Auto, sondern spiel mit einer Fünfjährigen Verstecken. Mädchen, leg’ die Friseurschere weg und nimm die Bohrmaschine.“

Weder Girls’ noch Boys’Day können die Klischees brechen: Am besten wäre es, nicht mehr von Männern- und
Frauenberufen zu sprechen, sondern einfach nur noch von Berufen.

Illustration: Lotte Düx

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Elsbeth Föger
54. Lehrredaktion der Deutschen Journalistenschule. Twittert unter @ElsbethFoeger.

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